23. Mai 2022
Das RKI informiert über unklare Fälle von akuter Hepatitis oder Leberversagen bei Kindern unter 16 Jahren.
Am 05.04.2022 benachrichtigte das Vereinigte Königreich die WHO über 10 Fälle von schwerer akuter Hepatitis unbekannter Ätiologie (non A-E-Hepatitis) in Schottland bei zuvor gesunden Kindern unter 10 Jahren.
Bis zum
25.04.2022 wurden im gesamten UK insgesamt 114 Fälle identifiziert, die die
WHO-Falldefinition erfüllen. Die Fälle zeigten klinisch eine schwere
akute Hepatitis mit erhöhten Leberenzymwerten und Ikterus. Einige der Fälle berichteten über
gastrointestinale Symptome, einschließlich Bauchschmerzen, Durchfall und
Erbrechen in den vorangegangenen Wochen. Die meisten Fälle hatten kein Fieber.
Einige der Fälle mussten in spezialisierten pädiatrisch-hepatologischen Zentren behandelt werden und zehn wurden lebertransplantiert. Aus Ländern der EU und den USA wurden ebenfalls vereinzelt Fälle gemeldet.
Labortests haben eine virale
Hepatitis mit den klassischen Hepatitiserregern (A-E) bei diesen Kindern ausgeschlossen. Histologische Befunde deuten auf eine virale Genese der Erkrankungsfälle hin. In der Mehrzahl der Fälle wurden Adenoviren eines bestimmten
Serotyps (41F) nachgewiesen. Das Teamin UK geht derzeit davon aus, dass eine
Adenovirusinfektion die wahrscheinlichste Ursache ist.
Adenovirusinfektionen sind häufig und führen in der Regel zu einer leichten Erkrankung mit erkältungsähnlichen Symptomen, Erbrechen und Durchfall oder auch Konjunktividen. Bei den meisten Menschen, die sich mit einem Adenovirus infizieren, kommt es zu keinen Komplikationen.
Adenoviren verursachen zwar in der Regel keine Hepatitis, doch handelt es sich um eine bekannte seltene Komplikation, die meist bei immungeschwächten Personen auftritt. Bei den aktuellen pädiatrischen Fällen in UK könnte eine neue Variante zirkulieren, die bei Kindern eine schwere Hepatitis verursacht. Die Rolle dieser Viren bei der Pathogenese ist jedoch noch nicht geklärt. Bisher wurden keine anderen offensichtlichen epidemiologischen Risikofaktoren identifiziert.
Auch toxikologische Untersuchungen sind noch im Gange, aber angesichts des epidemiologischen Bildes und der klinischen Merkmale der Fälle wird eine infektiöse Ätiologie für wahrscheinlicher gehalten.
Insgesamt ist die Ätiologie der aktuellen Hepatitis-Fälle unbekannt und wird weiter untersucht.
Aus Deutschland wurde bislang ein Fall an das RKI übermittelt, der der WHO-Falldefinition entspricht. Der Erkrankungsbeginn lag bereits im Januar 2022. Seitens der Fachgesellschaften oder pädiatrischen Kliniken liegen dem RKI keine weiteren Hinweise auf Fälle oder Häufungen von unklarer (non A-E-)Hepatitis bei Kindern vor.
Fälle von
schwer verlaufender akuter non A-E-Hepatitis bei Kindern sind selten. Insofern
sind die aus UK berichteten Fallzahlen ungewöhnlich. Die Zahl der
bislang aus der EU berichteten Fälle ist schwer einzuordnen. Zwar berichten einzelne Länder, dass diese
über der Zahl der zu erwartenden Fälle läge, andererseits könnte die erhöhte Aufmerksamkeit der letzten Wochen eine große Rolle spielen.
Weiterhin ist die aktuell verwendete Falldefinition aufgrund der unbekannten Krankheitsursache noch wenig spezifisch. Insofern könnten sich unter den zurzeit berichteten Fällen auch solche befinden, die in einer rückblickenden Betrachtung dem Ausbruch nicht mehr zugeordnet werden.
Das RKI
bittet um erhöhte Aufmerksamkeit bei unklaren Fällen von akuter Hepatitis oder
Leberversagen bei Kindern unter 16 Jahren und Beachtung der Meldepflicht gemäß
Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Insbesondere Fälle, die folgenden Kriterien
entsprechen, sollten an das Gesundheitsamt gemeldet werden:
Redaktion: Dr. med. Martina Weiß
Quelle:
Faber M, Zimmermann R: Fälle akuter Hepatitis unklarer Ätiologie (non A-E) bei Kindern, Epid Bull 2022;17: 11-13 | DOI 10.25646/9989