18. Jul 2022
Epidemiologen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) unter Leitung von Hermann Brenner untersuchten den möglichen Einfluss einer gezielten Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D auf die Krebssterblichkeit in Europa.
Vitamin D ist der übergeordnete Begriff für eine Gruppe fettlöslicher Vitamine, die Calciferole. Zu den wichtigsten Formen gehören Vitamin D2 (Ergocalciferol) und Vitamin D3 (Cholecalciferol). Die bekannteste Funktion von Vitamin D ist die Beteiligung am Knochenstoffwechsel. So fördert Vitamin D unter anderem die Resorption von Calcium und Phosphat aus dem Darm sowie ihren Einbau in den Knochen. Es nimmt damit eine Schlüsselrolle bei der Knochenmineralisierung ein.
Vitamin D-Mangel wird aber nicht nur mit Knochen- und Muskelerkrankungen, sondern auch mit einer erhöhten Infektanfälligkeit und zahlreichen anderen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Die Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D kann die Vitamin D-Spiegel in ähnlicher Weise erhöhen wie die Einnahme von Vitamin D-Präparaten. Einige Länder wie die USA, Kanada und Finnland reichern Lebensmittel bereits seit Längerem mit einer Extraportion Vitamin D an.
Brenners Team sammelte zunächst Informationen über die Richtlinien zur Nahrungsmittelergänzung von Vitamin D aus 34 europäischen Ländern. Zudem ermittelten die Wissenschaftler aus Datenbanken die Anzahl krebsbedingter Todesfälle und die Lebenserwartung in den einzelnen Ländern. Diese Informationen verknüpften sie mit den Ergebnissen der Studien zum Einfluss der Vitamin D-Gabe auf die Krebssterberaten. Mit statistischen Methoden schätzten sie daraus die Anzahl der krebsbedingten Todesfälle, die in den Ländern mit Lebensmittelanreicherung bereits verhindert werden. Außerdem errechneten sie die Zahl der Todesfälle, die zusätzlich vermieden werden könnten, wenn alle europäischen Länder die Anreicherung von Vitamin D in Lebensmitteln einführen würden. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Vitamin D-Anreicherung aktuell etwa 27.000 Krebstodesfälle in allen betrachteten europäischen Ländern pro Jahr verhindert. „Würden alle von uns betrachteten Länder Lebensmittel mit angemessenen Mengen Vitamin D anreichern, könnten nach unseren Modellrechnungen ca. 130.000 bzw. etwa neun Prozent aller Krebstodesfälle in Europa verhindert werden. Das entspricht einem Gewinn von fast 1,2 Millionen Lebensjahren", so Brenner.
Ein großer Teil der Bevölkerung, insbesondere der älteren Menschen, hat niedrige Vitamin D-Spiegel, die mit einem erhöhten Risiko zahlreicher Erkrankungen in Verbindung stehen. Neben der Zufuhr von Vitamin D über die Nahrung kann eine ausreichende Versorgung auch durch Sonnenbestrahlung sichergestellt werden: Der Krebsinformationsdienst des DKFZ empfiehlt, sich bei Sonnenschein im Freien zwei- bis dreimal pro Woche für etwa zwölf Minuten aufzuhalten. Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen sollten für diese Zeitspanne unbedeckt und ohne Sonnenschutz sein.
Aufgrund der Wettersituation in Deutschland sowie der individuellen Hautempfindlichkeit ist es aber problematisch, ganzjährig eine ausreichende Versorgung nur durch Sonnenbestrahlung zu erreichen. Da Vitamin D ein fettlösliches Vitamin ist, sollte eine Überdosierung durch Nahrungsergänzungsmittel aber ebenfalls vermieden werden. Daher ist es sinnvoll, zunächst den Vitamin D-Spiegel zu kontrollieren und dann ggf. Vitamin D zu supplementieren.
Redaktion: Dr. med. Martina Weiß
Quelle(n):
Tobias Niedermaier, Thomas Gredner, Sabine Kuznia, Ben Schöttker, Ute Mons, Jeroen Lakerveld, Wolfgang Ahrens, Hermann Brenner. Vitamin D food fortification in European countries: The underused potential to prevent cancer deaths. European Journal of Epidemiology 2022, DOI: 10.1007/s10654-022-00867-4