22. Apr 2022
Im Epidemiologischen Bulletin 9 / 2022 wurde eine aktualisierte Darstellung der Risikogebiete der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) in Deutschland publiziert.
Im Vergleich zum Vorjahr kommen sechs neue Risikogebiete hinzu, von denen vier an bekannte Risikogebiete grenzen. Erstmalig in Brandenburg werden drei Kreise Risikogebiet (LK Oberspreewald-Lausitz, LK Oder-Spree und LK Spree-Neiße), erstmalig in Nordrhein-Westfalen wird der Stadtkreis (SK) Solingen Risikogebiet und in Sachsen kommen zwei Kreise hinzu (SK Chemnitz und LK Görlitz). Somit sind aktuell 175 Kreise als FSME-Risikogebiete definiert.
Bundesländer mit definierten FSME-Risikogebieten:
Bundesländer mit vereinzelt auftretenden autochthonen FSME-Erkrankungen, in denen jedoch kein Landkreis die Definition für ein FSME-Risikogebiet erfüllt:
Bundesländer, in denen bisher keine FSME-Erkrankungen erworben wurden:
Im Jahr 2021 wurden insgesamt 390 FSME-Erkrankungen übermittelt. Durch einen technischen Fehler konnten jedoch etwa 5 % der2021 gemeldeten FSME-Erkrankungen nicht gezählt werden. Die jährliche Fallzahl seit 2001 schwankte stark zwischen 195 (2012) und 712 (2020). Bei 52 % der 2021 übermittelten Erkrankungen wurde ein klinisches Bild mit neurologischen Manifestationen einer Meningitis, Enzephalitis oder Myelitis angegeben. Drei Personen verstarben an ihrer FSME-Erkrankung, zwei davon im Alter von über 80 Jahren und eine Person mit Vorerkrankungen in der Altersgruppe 20 – 25 Jahre. Die durchschnittliche FSME-Inzidenz steigt ab dem Alter von 40 Jahren deutlich an. Die Mehrzahl der FSME-Erkrankungen findet inden Monaten Mai bis Oktober statt, so auch im Jahr 2021. Von den im Jahr 2021 übermittelten Fällen wurde bei 338 Fällen nur Deutschland als mögliches Infektionsland genannt. Bei 347 Erkrankten (90 %) lagen Angaben zur möglichen Infektionsquelle vor. Davon gaben 211 Fälle (61 %) einen Zeckenstich an.
Grundlage der Prävention ist die Aufklärung über das erhöhte Risiko der FSME-Übertragung in den ausgewiesenen Risikogebieten und über vorbeugende Maßnahmen. Typische Lebensräume für Zecken sind unteranderem lichte Wälder oder Waldränder sowie Flächen mit hohem Gras oder Büschen. Zeckenstiche können zum Teil durch Schutzmaßnahmen wie das Tragen geschlossener Kleidung, das Vermeiden von Unterholz und hohen Gräsern und das Verbleiben auf festen Wegen verhindert werden. Repellents schützen begrenzt über einige Stunden. Bei Zeckenbefall sollte die Zecke immer umgehend entfernt und die Wunde möglichst desinfiziert werden. Im Gegensatz zur Übertragung von Borrelien durch Zecken auf den Menschen, die meist erst Stunden nach Beginn des Saugakts erfolgt, gelangen die FSME-Viren bereits bei Beginn des Saugakts von der Zecke in den Menschen. Daher kann das Absuchen des Körpers nach Zecken und deren schnelle Entfernung zwar häufig eine Borreliose verhindern, bietet jedoch wenig Schutz vor FSME.
Den zuverlässigsten Schutz bietet die FSME-Impfung. Eine Indikation für eine Impfung besteht für Personen, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten und gegenüber Zecken exponiert sind, sei es durch Freizeitaktivitäten oder durch die berufliche Exposition. Für die Grundimmunisierung sind drei Impfstoffdosen erforderlich. Auffrischimpfungen sind bei fortbestehender Exposition in Abständen zwischen 3 und 5 Jahren erforderlich, je nach Alter und verwendetem Impfstoff. Auch in Risikogebieten sind die Impfquotenweiterhin auf niedrigem Niveau, insbesondere bei Personen im Alter über 60 Jahren, bei denen das Risiko einer schweren Erkrankung deutlich erhöht ist. Die Mehrzahl (99 %) der 2021 übermittelten FSME-Erkrankten war gar nicht oder unzureichend geimpft, d. h. die Grundimmunisierung war unvollständig oder Auffrischimpfungen fehlten.
In Deutschland besteht vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen und in Sachsen ein Risiko, durch Zeckenstiche mit dem FSME-Virus infiziert zu werden. In den letzten Jahren kamen vermehrt erstmals Risikogebiete in nördlicher gelegenen Bundesländern hinzu: 2022 in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, 2021 in Sachsen-Anhalt und 2019 in Niedersachsen. Zusätzlich befinden sich einzelne Risikogebiete in Mittelhessen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Ein kleiner Teil der erfassten FSME-Erkrankungen trat zudem in Nichtrisikogebieten auf, insbesondere während der Zeckensaison sollte deshalb überall in Deutschland die FSME bei entsprechender Symptomatik in die Differenzialdiagnose einbezogen werden. Die Impfquoten in den Risikogebieten sind nachwie vor unzureichend, um eine starke Zunahme der FSME-Fallzahlen wie im Jahr 2020 zu verhindern.
Diagnostische Methode der Wahl ist der simultane Nachweis von FSME-Virus-spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern in Serum oder Liquor oder ein signifikanter Anstieg der IgG-Antikörperkonzentration zwischen 2 Proben im zeitlichen Abstand von 2 - 4 Wochen. Für die Untersuchung benötigen wir 1 ml Serum.